Statements

Zu den Arbeiten von Berthold Bock

HOFFMANNIANA

von Asja Wolf-
der Obsession prophezeiende Titel der Ausstellung referiert auf einen nie realisierten Film Andrej Tarkowskijs über das Leben des Schriftstellers E.T.A. Hoffmann. Als szenische Kollage sollte sie in die phantastische Gegenwelt des lebenslangen Grenzgängers zwischen Traum und Realität entführen. Der Einbruch des Irrationalen in die Erzählkunst trug dem Schriftsteller E.T.A. Hoffmann unter Zeitgenossen den Beinamen „Gespenster-Hoffmann“ ein. Tarkowskij fühlte sich den Künstlern der deutschen Romantik in besonderem Maße wahlverwandt. Er beschreibt seine Intention als „Reanimation psychischer Grundzustände“.
Auch Bock ist die „Logik des Poetischen“ näher als die „traditionelle Dramaturgie und reine Ereignisverkettung“. Die Besonderheit in Bocks künstlerischem Schaffen besteht in der wechselseitigen Durchdringung seiner Filme und Malerei. Die narrative Kraft seiner Bilder generiert zuweilen den Ausgangspunkt für die fantastischen Spiegelwelten seiner Filme, sowie Filmstills zu Motiven der Malerei werden können.
Die 2017 von Christoph Tannert kuratierte Ausstellung „Neue Schwarzen Romantik“ schlug die Brücke des Epochenbegriffs der Romantik in die Gegenwart der bildenden Kunst. Die Renaissance jener Geisteshaltung, die sich von der Romantik über den Symbolismus bis in den Surrealismus hinein erstreckte, beschreibt mit ihrer erneuten Hinwendung zum Irrationalen die Sehnsucht nach einer Entschleunigung im globalen Weltgefüge. Als Vertreter dieser Spielart der Romantik entführt uns Bock in aufgeladene Stimmungslandschaften. Diese metaphorischen Bedeutungsträger konfrontieren uns mit weit existentielleren Fragen als ihre romantische Anmutung bei der flüchtigen Betrachtung vermuten lässt. Interessant ist die augenscheinliche Anachronie der Genese seiner Sujets. In den 2000er Jahren entstehen abstrahierende Porträts in der sachlichen Manier eines Alex Katz, dem folgen ab 2010 kühle Fassaden moderner Luxus-Townhouses als Spiegel einer zunehmenden Beziehungslosigkeit in unserer Gesellschaft. Das Ausloten der Möglichkeiten der Malerei kulminiert mit der aktuellen Ausstellung in der Poesie ursprünglicher Naturerfahrung. Die Direktheit seiner aktuellen Arbeiten bis hin zum provozierenden Pathos stellt gewissermaßen den Gegenpol zum „Bad Painting“ dar. Wer die Resultate dieser demonstrativen Verweigerung etablierter Geschmackserwartungen goutieren will, braucht, um eine Formulierung Susan Sontags aufzugreifen, einen „guten Geschmack des schlechten Geschmacks“. Den brauchen wir bei Berthold Bock nicht und das tut, zur Abwechslung, gut. „Das abstrakte Denken bereitet nicht mehr so viele Schmerzen“. Mit dieser Feststellung verweist Peter Lang auf den mutigen Verzicht distanzierender Chiffrierung in Bocks Malerei. Bei der Betrachtung seiner Bilder kehrt Stille ein. Vielleicht sogar ein bisschen Ehrfurcht, die das Erleben der in Malerei verdichteter Schönheit vor dem Hintergrund ihrer Zerbrechlichkeit einfordert. Christoph Tannert erfasst diesen Zustand als „Gleichzeitigkeit einer ungreifbaren Bedrückung und Atmosphäre der Geborgenheit“.

Die dunkle Seite des Mondes, etwas abgeflaut

von Peter Lang

Stifter, Tieck, Schwarzwald, Sächsische Schweiz, Salzburg, Hall in Tirol. Hänsel und Gretel und die Schwarze Romantik. Berthold Bock malt irgendwo dazwischen. Die Fragen des Malers ziehen sich durch die Wälder und Bilder. In seinem neuen Film, Dans la tête de l'artiste thematisiert er gerade diese Ambivalenz des Schöpferischen, des Infragestellens, des Fertigwerdens, des Werkes und der Leere. Man meint im Film, gleich begegne einem Andrej Rubljow auf dem leeren Dachboden des alten Postfuhramtes in Berlin. Dieser russische mittelalterliche Maler, den es im Film Andrei Tarkowskijs auf der Suche nach der malerischen Wahrheit durch die Weiten Russlands treibt. Berthold Bocks kurzer Film ist eine ehrliche Bestandsaufnahme der Zeit hinter dem schönen Schein der Bilder, der Einsamkeit im Atelier. Die Bilder, ein Grenzgang des Malers am Schwarz. Dem Drang nach Licht und der tiefen Schwärze. Und der Frage, was passiert malerisch, wenn das Licht verschwindet, wo male ich noch und wo schweige ich besser. Es ist eine Reise in die Nacht, in die Dunkelheit, ein Selbstsuchungsprozess im Dunkel.

Und dann Nymphen, Waldnymphen, war Lehnbach hier? Die dunklen Stuben der Gründerzeit, Krupp, die Villa Hügel. Heute hängen bei den deutschen Oligarchen, die ja hier anders heißen und ganz seriös sind, Gerhard Richters. Früher waren es Waldnymphen. So ist auch im Bereich der Kunst die Wertanlage eingezogen. Etwas unsinnlich, aber als Aktie mit Aussichten versehen. Obwohl der sogenannte Kitsch, die Nymphen, Böcklin und andere, wohl eine höhere Heilungsrate hätten. Das abstrakte Denken bereitete nicht mehr so viel Schmerzen.

Bock fragt noch mal danach, ob nicht die Nymphe in dunkler Zeit mehr Trost spenden könnte als der Richter. Und so sind in allen Bildern auch Fragen anzutreffen, Fragen nach der Geschichte der Malerei, ihrer Versöhnbarkeit mit dem Heute.

Auenwälder, leerstehend, dunkel morastig bis zum tiefen Schwarz-Grün. Und das in vielen seriellen Varianten. Was treibt Berthold Bock um, das Düstere, Unheimliche? Er nimmt Themen auf, die man gerade letztes Jahr als wesentliche Themen der Romantik, genauer gesagt einer Spielart der Romantik, der spannendsten, nämlich der Schwarzen Romantik im Frankfurter Städel sehen konnte. Und Tausende kamen, was treibt die Leute an, ins Dunkel zu sehen? Fühlen wir bei der Betrachtung dieser dunkel, fast düster gestimmten Bilder, eben wie jene aktuellen des Berthold Bock, doch ein untergründiges Behagen, einen Sog in gerade dieses Dunkel, diese unheimliche Behausung? Natur die sich dunkel, anarchisch und verschlüsselt gibt. Eine Fahrt mit den Nachen über dunkle Gewässer in das kühle, verwachsene Dickicht der Auenwälder. Irgendwo steht Siegfried an der Quelle und der Lindwurm ist nicht fern, so wirken die Bilder auch immer etwas wie Filmsets. Obwohl, Ausgangspunkt sind immer konkrete Landschaftserfahrungen. Aber die Auenwälder scheinen nur in Europa diese Ausstrahlung zu haben. Eine Ausstrahlung die in unsere seelische Grundstimmung hineinleuchtet. Eine temperaturelle Energiequelle die verschlingt, aufsaugt.

Auch die Schlacht im Teutoburger Wald fand im dunklen Dickicht statt und gilt als Gründungsmythos eines Germanischen Reiches. Eigentlich ein Meuchelmord von Freischärlern an einer Armee der kulturellen Avantgarde, den Römern. Und dann kamen nicht die hellen römischen Siedlungen mit Bädern und Tuniken über den Rhein, sondern das Dunkel des Vormittelalters. Sumpf und Kampf ums Überleben. Irgendwie leuchtet das noch in diesen verlorenen Landschaften. Und doch ist Hoffnung in ihnen. Das Dunkle des Grüns, der Trift in eine hochangereicherte Farblosigkeit schafft Ruhe und Vertrauen, man fühlt sich in eine imaginierte Heimat gezogen. Das Süße des Untergangs und des Todes breitet sich aus. Und in den Nebeln, die man dort erwartet, findet sich als Trost der verhalten strahlende Körper der Nymphe, der immer währenden Jungfrau.

Es bleibt Hoffnung und die Lust in diesen Welten zu wandeln. Ein Trost der Unaufgeregtheit und der Landschaft in den gedecktesten Farben, die dem Maler zur Verfügung stehen. Aus dem angelegten Schwarz klingen verhalten die Farben hervor aber dunkel abgeflaut. Die Nacht als Erlösung vor der splitternden Gewalt der elektronisch manipulierten Bilderwelten. Die Zeit bleibt stehen und wir finden uns in einem Klang der Harmonie wieder. Ein Versinken in dieser Stimmung ist nicht auszuschließen. Liegt darin aber nicht ein tiefer Trost des Menschlichen, der Rückkehr, der Heimkehr im Anfang?


Le décès moderne (frz. für Der moderne Zerfall)

von Isabelle Meiffert

Ihr nach oben gerichteter Kopf, das gestreckte Kinn, die vornehme Blässe ihrer Haut lassen die Protagonistin des Werkes Le décès moderne würdevoll aussehen. Es bleibt unklar, ob sie tot oder lebendig ist, ob sie schläft oder stirbt, ob sie je lebendig war.

Berthold Bock beschäftigt - wie viele Künstler seiner Generation - dieser Zustand der Ungewissheit. Ihn bewegen Fragen nach dem Erbe der Moderne. Ist sie tatsächlich vorbei oder dauert sie weiter an? Was bleibt übrig von ihren Idealen? In welche Richtung bewegen wir uns?

Diese Frau ist für Bock eine Metapher für den Zerfall der Moderne. Schon der Titel deutet darauf hin. Sie steht für ein Dazwischen. Sie stellt Fragen ohne Antworten zu geben.

Das Motiv hat Bock seinem Film Jenseits des Sees entnommen. Malerei und Film stehen bei ihm in ständiger Wechselwirkung. Dabei ist es stets die Malerei, die den Ursprung oder die Weiterführung dieser Auseinandersetzung bildet. Bock kommt dann - manchmal erst Jahre später - auf die Bilder zurück und verfilmt "ihre Geschichten". So ist es beispielsweise das an Hopper erinnernde Werk Erster Schnee (2004), welches den Ausgangspunkt für den Film Jenseits des Sees (2008) bildet.

Stilistisch öffnet er sich immer neue Türen. Es ist genau dieses Experimentieren und das Ausschöpfen der malerischen Möglichkeiten, das Bock interessiert und vorantreibt. Steht in Le décès moderne noch die Auseinandersetzung mit Schwarz im Vordergrund, so dominieren in seinen späteren Waldbildern helle freundliche Farben. Sind die einen Werke von einem monochromen Hintergrund und flächiger Malweise geprägt, erinnern die anderen mit ihrem eher pastosen, getupften Farbauftrag und ihrer intensiven Beschäftigung mit Licht an den Impressionismus. In Le décès moderne scheint der Tod, in den Waldbildern das blühende Leben versinnbildlicht. Diese vermeintlichen Stilbrüche finden alle ihre Klammer, ihre Heimat in den Filmen.

So unterschiedlich die Bilder Bocks auch sein mögen - in jedem seiner Werke steckt ein Stück seiner eigenen Geschichte. So hat er seinen Umgang mit der Moderne gefunden. Kunst visualisiert bestenfalls Gesellschaftszustände, so der Künstler. Immer wieder auf aktuelle persönliche, künstlerische Herausforderungen einzugehen, sei die einzige Möglichkeit, dies zu erreichen, denn man ist ja selbst ein Stück Zeitgeist.


Der wahre Stand der Dinge

Von Dr. Stefan Lüddemann (in Auszügen)

Dauert die Moderne weiterhin an? Diese Frage beschäftigt Diskurswerker, die inmitten einer ratlosen Gegenwart nach dem Halt suchen, wie ihn nur ein Epochenname geben kann. Klar ist nur eines: Die Avantgarden sind längst im Museum still gestellt. Und im Vergnügungspark der fröhlichen Postmoderne ist das Licht gelöscht. Übrig bleibt nur das vage Gefühl, in einer Übergangszeit zu leben, deren Stellenwert und historische Mission gegenwärtig kaum einzuschätzen ist. Statt den Furor des Aufbruchs zu verbreiten, reflektieren viele Künstler das Gefühl allgemeiner Ratlosigkeit.

Berthold Bock trauert keinem verflossenen Zeitgefühl nach, sondern unternimmt mit Phantasie und Realitätsgefühl gleichermaßen, was nun noch bleibt - er baut aus den Relikten einer deutlich als Vergangenheit empfundenen Moderne eine "Neue Heimat", so der ironisch doppeldeutige Titel eines Ausstellungsprojektes aus dem Jahr 2004. Der Titel spielt auf die Motive seiner Bilder an, die immer wieder Architekturen und damit ganz konkrete Behausungen zeigen. Zugleich meint "Neue Heimat" die Suche nach einem ideellen Ort, der für diejenigen zum Aufenthalt werden kann, die sich der Moderne nicht mehr zugehörig fühlen dürfen, ihrem Erbe aber weiterhin verhaftet bleiben. Bocks Bilder reflektieren genau diese Situation eines spannungsreichen Dazwischen, ohne in scheinbar einfache Alternativen auszuweichen. Daraus beziehen die Werke dieses Künstlers ihre historische Wahrheit.